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Inhalt: Der unten stehende Text enthält eine Kurzform der wichtigsten Forschungsergebnisse der Dissertation:
"Das Handwerk in Schwäbisch Hall vom Ende der Reichsstadtzeit bis zur Einführung der Gewerbefreiheit im Jahre 1862"
Der Text entspricht den Seiten 190 bis 196 der veröffentlichten Fassung
In den 60 Jahren des Übergangs von dem starren Zunftsystem bis zur Einführung der Gewerbefreiheit vollzog sich ein gesellschaftlicher Wandel, der die traditionellen Strukturen, die sich in Jahrhunderten herausgebildet hatten, zum ein Einsturz brachte. Zum Abschluss dieser Arbeit sollen die gewerberechtlichen, wirtschaftlichen und sozialen Veränderungen, die sich zu jener Zeit im Haller Handwerk vollzogen in ihren Hauptentwicklungslinien zusammenfassend dargestellt werden.
Das Gewerbewesen regelten am Ende der Reichsstadtzeit über 40 Zünfte, die sich nach den vom Haller Magistrat erlassenen Handwerksordnungen zu richten hatten. Von den bedeutenderen Gewerben gehörten nur die Bierbrauer zu den "freien Künsten". Die übrigen Handwerke waren zünftig organisiert und aus gewerberechtlicher Sicht wohlgeordnet: Die Oberaufsicht hatten die "Hauptleute" inne, die stets Ratsmitglieder waren. Die Geschäfte führten die "Geschworenen Meister", die von den Zunftmitgliedern auf eine gewisse Zeit - zumeist zwei Jahre - gewählt wurden. Die Haller Meister konnten damit, im Gegensatz zu ihren Kollegen im Herzogtum Württemberg, in dem die "Kerzenmeister" ihre Stelle lebenslänglich bekleideten, einen ihnen missliebigen Vorsteher abwählen. Den Zünften stand das Recht zu, über ihre inneren Angelegenheiten selbst zu bestimmen. Sie regelten von den Meisterannahmen bis zu Ehrverletzungen fast alle Fragen, die ihre Mitglieder betrafen. Im 18. Jahrhundert verschafften sie sich trotz obrigkeitlicher Aufsicht immer mehr Freiraum, den sie dazu nutzten, üppige Meisterzechen abzuhalten, hohe Meistergelder zu erheben und drastische Geldbußen auszusprechen sowie Landmeister, "Fremde" und Nicht-Meistersöhne zu benachteiligen. Auch die Gesellenbruderschaften, die sich im 17. und 18. Jahrhundert gebildet hatten, verstärkten ihren Einfluss und verhängten zum Teil willkürlich Strafen über ihre Genossen. Zudem waren sie ein Element der Unruhe. Der Streik der Haller Zimmergesellen des Jahres 1798 ist dafür kennzeichnend.
Diese Zustände, die in der Literatur als "Handwerksmissbräuche" bezeichnet werden, waren Ende der Reichsstadtzeit nicht mehr tragbar. Zwar versuchte der Magistrat, über die Hauptleute mäßigend zu wirken, doch war seinem Bemühen nur wenig Erfolg beschieden. Das Handwerk war zu Beginn des 19. Jahrhunderts zwar wohlgeordnet, den Willkürmaßnahmen der Zünfte und Bruderschaften waren aber Tür und Tor geöffnet. Deshalb sah die württembergische Regierung nach der Übernahme von Hall im Jahre 1802/03 in der Beseitigung dieser Missstände ihre vorrangige Aufgabe. Dazu zog sie die Gewerbegerichtsbarkeit und das Dispensationsrecht an sich. Sie wollte außerdem durch die Senkung der Meistergelder den finanziellen Rahmen der Zünfte beschneiden. Ihr Ziel erreichte sie jedoch nur zum Teil, weil sie zu schwach war, ihre Anordnungen voll in die Tat umzusetzen. Zudem war bei den unteren Verwaltungsbehörden eine gewisse Nachlässigkeit festzustellen. Beispielsweise wandte der Haller Oberamtmann das württembergische Recht so lange nicht an, bis ihm die Kreisregierung dienstrechtliche Konsequenzen androhte.
Das zweite Ziel, das die Regierung nach der staatlichen Neuorganisation anstrebte, war die Vereinheitlichung des herzoglich-württembergischen Gewerberechts mit dem der neu erworbenen Gebiete. Dabei ging man äußerst behutsam vor. Die Haller Handwerksartikel behielten ihre Gültigkeit, wenn sie nicht ausdrücklich württembergischen Bestimmungen entgegenliefen. Neue Vorschriften waren jedoch für das gesamte Staatsgebiet verbindlich. Diese Regelungen sollten so lange fortgeführt werden, bis durch den Erlass einer Gewerbeordnung einheitliches Recht geschaffen werde. Deshalb griff man vor allem bei äußeren Angelegenheiten wie der Abgrenzung der Gewerbe, bis weit ins 19. Jahrhundert auf die Haller Zunftordnung zurück. Dagegen wurden innere Angelegenheiten wie die Wahl und die Amtszeit der Vorsteher, nach württembergischen Richtlinien geordnet. Dieses Gewerberecht führte, zumindest bei Handwerkern und unteren Verwaltungsbehörden zu einer großen Rechtsunsicherheit. Sie wussten teilweise nicht, welche Bestimmungen bei einem bestimmten Problem heranzuziehen waren. Dieser untragbare Zustand, der auch der Regierung nicht verborgen blieb, wurde mit der Gewerbeordnung von 1828 beseitigt. Mit ihr erreichte Württemberg auch sein lange angestrebtes Ziel: die Abstellung der Handwerksmissbräuche. Ebenso wurde die Frage der Zünftigkeit der Gewerbe eindeutig geregelt und die Zunftvereine neu geordnet. Für einige Haller Zünfte bedeutete dies die Auflösung. Sie kämpften zwar für die Beibehaltung ihrer bisherigen Organisation, doch war ihr Bemühen erfolglos. Mit der Neuorganisation erfuhr die Stadt eine gewisse Aufwertung, denn sämtliche Zünfte (auch die überregionalen!), an denen hiesige Handwerker beteiligt waren, hatten ihren Sitz in Hall. Die Gewerbeordnung und das Bürgerrechtsgesetz von 1828 führten auch eine weitgehende Rechtsgleichheit für die Aufnahme von Meisterrechtsbewerbern ein. Bei der zu absolvierenden Wanderzeit und der Bemessung des Meistergeldes verloren die Bürger- und Meistersöhne ihre Privilegien. Durch die drastische Senkung der Aufnahmegebühren und die Einführung des "Vorbereitungsnachweises", der es einem Bewerber ermöglichte, ohne Erstellung eines Meisterstücks das Meisterrecht zu erlangen, konnte nahezu jeder Handwerker einen Betrieb eröffnen. Auch die Bäcker und Metzger brauchten von 1830 an durch die faktische Aufhebung der Realrechte nicht mehr im Besitz eines Realbackrechts oder einer Metzelbankgerechtigkeit zu sein, um ihren Beruf selbständig ausüben zu dürfen.
Die wesentlichsten Neuerungen der Gewerbeordnung von 1828 waren die Aufhebung des Bannrechts und die Aufhebung der Beschränkung des Handwerksmeisters bei der Zahl der Arbeitskräfte. Nunmehr war der Meister nicht mehr auf den Absatz seiner Erzeugnisse im Ort seiner gewerblichen Niederlassung oder auf den Zunftbezirk beschränkt, sondern er durfte von jedermann Aufträge entgegennehmen. Das Recht, beliebig viele Gehilfen einstellen zu dürfen, ermöglichte es ihm zumindest theoretisch, einen Großbetrieb zu errichten. Diese Bestimmungen höhlten die Zunftwirtschaft aus. Als äußere Schale blieb nur noch der Zunftzwang, d.h. ein Meister durfte nur diejenigen Waren produzieren und absetzen, die in die Produktions- und Absatzpalette seiner Zunft gehörten. Deshalb war die Einführung der Gewerbefreiheit nur noch eine Frage der Zeit.
Die rechtliche und soziale Stellung der Lehrjungen veränderte sich im 19. Jahrhundert nur wenig. Sie waren zum überwiegenden Teil in der Familie des Lehrherrn integriert. Da sie zu Beginn ihre Ausbildung nur selten über 15 Jahre alt waren, übernahm der Meister nicht nur die fachliche Schulung, sondern auch die Erziehung. Dabei machte er von seinem "mäßigen" Züchtigungsrecht sehr häufig Gebrauch. Für sein Verhalten bekam er jedoch höchstens eine Rüge erteilt, weil das Schlagen des Lehrlings offenbar an der Tagesordnung war und von der Obrigkeit als Kavaliersdelikt betrachtet wurde. Die Dauer der Lehre stand nach 1828 völlig im Ermessen des Meisters und den Eltern des Jungen. Nur in Ermangelung einer Vereinbarung nahm man die Lehrzeiten der alten Handwerksordnungen als Richtschnur. Ebenso konnte das zu entrichtende Lehrgeld, das der Meister für die Ausbildung, Verköstigung und Unterbringung des Jungen erhielt, frei vereinbart werden. Teilweise überstieg es das halbe Jahreseinkommen eines ausgebildeten Handwerkers, so dass es die Eltern schwer belastete.
Die Höhe des Lehrgeldes war von der Art des gewählten Berufes und der Dauer der Ausbildung abhängig: Bei künstlerischen, schwer erlernbaren Berufen und bei einer kurzen Lehre war es überdurchschnittlich hoch, weil der Junge vom Meister kaum eingesetzt werden konnte. Dauerte dagegen die Ausbildung sehr lange und war der Beruf relativ einfach zu erlernen, konnte der Junge am Ende seiner Ausbildung produktiv eingesetzt werden und musste deshalb nur wenig oder überhaupt nichts bezahlen. Eine verlängerte Lehrzeit ohne Lehrgeld bot vor allem Kindern armer Eltern die Möglichkeit des sozialen Aufstiegs. Ein anderer Weg dahin führte über das Bauhandwerk. Hier musste nicht nur kein Lehrgeld entrichtet werden, vielmehr bekam der Junge einen Taglohn, der nach Jahren gestaffelt war. Dennoch war die soziale und regionale Mobilität gering. Die Lehrlinge waren zumeist Söhne von Handwerksmeistern desselben oder verwandter Berufe aus der Umgebung. Häufig bildeten auch die Väter ihre Söhne selbst aus. Eine Sonderstellung nahmen die Söhne der Salinearbeiter ein. Während sie in der Blütezeit der Saline eine Arbeit im Haal übernahmen, drangen sie im Zuge des wirtschaftlichen Niedergangs der Salzindustrie in das Handwerk ein. Nach 1828 musste ein Junge, um in den Gesellenstand aufgenommen zu werden, nicht nur den Nachweis erbringen, seine Lehrzeit "ausgehalten" zu haben, er war außerdem verpflichtet, sich einer Prüfung zu unterziehen. Jedoch scheinen die Anforderungen, wie auch die Arbeitsintensität, nicht besonders hoch gewesen zu sein.
Mit der Aufnahme in den Gesellenstand begann für die Handwerker ein völlig neuer Lebensabschnitt. Die in den Zunftordnungen vorgeschriebene Wanderung war nicht nur mühevoll und gefährlich, sondern auch mit vielen Entbehrungen verbunden; sie brachte die Gesellen jedoch aus der Enge des kleinstädtischen Lebens heraus. In entfernt gelegenen Orten konnten sie neue Menschen, politische Anschauungen und Produktionstechniken kennen lernen. Fanden sie Arbeit, wurden sie in die Bruderschaft aufgenommen, die ihnen bei beruflichen und privaten Problemen zur Seite stand. Der Obrigkeit wurden diese Vereinigungen zu Beginn des 19. Jahrhunderts jedoch immer suspekter. Sie sah in ihnen einen Keim der politischen Unruhe. Deshalb wurden sie im Jahre 1805 von der württembergischen Regierung zerschlagen, die damit das Koalitionsverbot durch die Hintertüre wieder einführte. Die Gesellen durften sich von nun an nicht mehr versammeln und standen unter starker polizeilicher Überwachung. Fleiß, Bescheidenheit und der "eingezogene" Lebenswandel gehörten zum Idealbild eines Gesellen, der wie die Lehrjungen gewöhnlich in der Hausgemeinschaft des Meisters lebte. Dies machte ihm in vieler Hinsicht vom Meister abhängig. Seine Arbeitszeit betrug täglich - je nach Handwerksbrauch - zwischen elf und 14 Stunden. Selbst am Sonntag konnte er sich bei einem hohen Auftragsbestand der Arbeit nicht entziehen. Überaus kurz waren auch die Kündigungsfristen, die zumeist bei zwei Wochen lagen. Die Möglichkeit zur Durchsetzung besserer Arbeitsbedingungen und zur Erhöhung des Lohnes verhinderten die Zünfte mit der Bestimmung, dass ein Geselle, der gegen den Willen seines Meisters die Arbeitsstelle verlassen wollte, die Stadt eine geraume Zeit (zumeist ein bis zwei Monate) verlassen musste. Das Arbeitsentgelt konnte gewöhnlich frei vereinbart werden. Lediglich bei den Bauhandwerkern, die zumeist bürgerlich ansässig waren, bestimmte der Stadtrat mit den Taxen, die den Lohnsatz angaben, den ein Meister einem Kunden in Rechnung stellen durfte, indirekt den Verdienst. Dieser reichte, zumindest bei denjenigen Gesellen, die eine Familie zu ernähren hatten, höchstens zur Bestreitung des Existenzminimums. Während der Agrarkrise 1816/17 reichte ein Taglohn nur für etwa fünf Pfund Brot. Bei unverheirateten Gesellen, die sich auf Wanderschaft befanden, scheint die Lage besser gewesen zu sein. Sie mussten jedoch von Zeit zu Zeit in Arbeit treten, denn mit der Wanderunterstützung der Zünfte konnten sie sich kaum durchbringen. Wer in Zeiten durchschnittlicher Ernten eine Arbeit fand, konnte auch im alten Handwerk sein Auskommen finden. Dagegen war seine Existenz bei Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit oder eines Unfalls aufs äußerste bedroht, weil die soziale Absicherung durch die Unterstützungskassen der Zünfte, die ihren Ursprung in den Bruderschaften hatten, wegen des geringen Beitragsaufkommens nur unzureichend war. Erst auf den Druck der Handwerksgesellen kam es in Hall im Jahre 1850 zur Errichtung einer leistungsfähigen Krankenanstalt, die sich überwiegend aus Beiträgen der Solidargemeinschaft finanzierte. Obwohl sich die Gesellen bei der Aufstellung ihrer Forderungen über berufsständische Schranken hinwegsetzten, war von einem echten Klassenbewusstsein noch nichts zu spüren.
Da der überwiegende Teil der Bevölkerung am Rande des Existenzminimums lebte, spielte die wirtschaftliche Lage die mit Abstand wichtigste Rolle. Die Bürger von Hall hatten das Glück, dass sich in ihrer Stadt mit der Saline ein leistungsfähiger Großbetrieb befand, von dem die Handwerker Großaufträge erhielten und der viele Fremde anzog, die als Nachfrager gewerblicher Produkte auftraten. Am Ende der Reichsstadtzeit war das Haller Handwerk wirtschaftlich gesund, obwohl das Zunftsystem bereits Auflösungserscheinungen zeigte. Die Mechanismen der Zunftwirtschaft, die jahrhundertelang die "Nahrung" der Meister und ihrer Familien gesichert hatten, griffen, vor allem in Zeiten hoher Lebensmittelpreise, nicht mehr in dem bekannten Maße. Die zunftwirtschaftlichen Schranken wie das Zwangs- und Bannrecht, wurden von Meistern, Gesellen und Hausierern immer häufiger übersprungen, denn durch die überproportionale Vermehrung der Zahl der Gewerbetreibenden schrumpfte das Pro-Kopf-Einkommen, und die Handwerker versuchten, durch den Eingriff in die Rechte ihrer Kollegen, ihre Existenz zu sichern. Damit machten sie sich unglaubwürdig, denn einerseits traten sie leidenschaftlich für die Erhaltung der Zunftwirtschaft ein, andererseits überschritten sie die von ihr gezogenen Grenzen wo es nur ging. Die Eingriffe vermehrten sich in württembergischer Zeit, als sich im Zuge der Napoleonischen Kriege durch die häufigen Truppendurchmärsche und Requisitionen die ökonomische Lage der Stadt verschlechterte. Zudem wurde der einst bedeutende Viehhandel durch die Autarkiebestrebungen Frankreichs nahezu zum Erliegen gebracht, und im Jahre 1812 hob die württembergische Regierung den freien Salzhandel auf, so dass sich der Zustrom von Fremden bedeutend verringerte und sich negativ auf den Absatz der Handwerker auswirkte. Kaum waren die Kriege beendet, verringerten die hohen Lebensmittelpreise während der Hungersnot 1816/17 die Kaufkraft der Bürger für gewerbliche Erzeugnisse. Kurz nachdem diese Krise überwunden war, setzte der Bedeutungsverlust der Saline ein: Durch die Entdeckung neuer und ertragreicher Salzvorkommen in Württemberg bei gleichzeitig nachlassendem Salzgehalt der Haller Sole, war die hiesige Saline nicht mehr konkurrenzfähig. Geld, das früher aufgrund der guten Ertragslage in die Stadt floss und die Nachfrage nach gewerblichen Produkten stimulierte, blieb aus.
So unterschiedlich die Ursachen der Krisen, die teilweise kumulierten, waren, so war ihnen doch gemeinsam, dass sie sich negativ auf die Nachfrage und damit auf den Absatz der größten städtischen Bevölkerungsgruppe, nämlich der Handwerker, auswirkte. Gegen Ende der 1820er Jahre war Hall zu einer wirtschaftlich geschwächten Landstadt herabgesunken. In der ersten Hälfte der 1830er Jahre erholte sich das Haller Gewerbe wieder etwas. Dies ist auf die günstige agrarkonjunkturelle Situation, die Eröffnung der Churr'schen Spinnerei und die Entdeckung des Steinsalzvorkommens in Wilhelmsglück, mit dessen Ausnutzung der Abwärtstrend der Saline, zumindest teilweise, gestoppt werden konnte, zurückzuführen. Nach 1835 setzte eine wirtschaftliche Talfahrt ein, die erst um 1860 gebremst werden konnte. Zwischen 1836 und 1847 stieg zwar die Zahl der Meister, der Anteil der Gesellen sank jedoch dramatisch. Das Handwerk befand sich in einer Absatzkrise, in der die Meister zwar ihren Betrieb halten konnten, die Zahl der Beschäftigten jedoch der gesunkenen Nachfrage anpassen mussten. Die Ursachen dafür waren die zunehmende Industrialisierung in Deutschland, die Öffnung der Märkte mit dem Eintritt Württembergs in den Deutschen Zollverein und die hohen Agrarpreise in den Jahren 1846/47. Nach 1848 setzte sich der Abwärtstrend, der im städtischen Handwerk stärker zu spüren war als in den Landgemeinden, in verstärktem Maße fort. Nun mussten auch viele Meister ihren Betrieb schließen, weil sie den Absatzrückgang nicht mehr durch eine Reduzierung der Arbeitskräfte kompensieren konnten. Sie suchten sich in der Verwaltung, beim Straßen- oder Eisenbahnbau Arbeit oder wanderten aus. Die beschäftigungslosen Gesellen reisten als "herumziehendes Handwerkerproletariat" durch die Lande. 1849 sah man sich in Hall sogar veranlasst, einen "Verein zur Abstellung des Bettels der Handwerksgesellen" ins Leben zu rufen. Obwohl das Handwerk als Gruppe eine schmerzliche Krise durchzustehen hatte, viele ihren Betrieb schließen mussten und in anderen Branchen oder in Amerika einen Neuanfang suchten, gab es um 1860 in Hall noch reiche Handwerker. Die überwiegende Zahl fand jedoch - wenn überhaupt - nur spärlich ihr Auskommen.
Auf dem Hintergrund dieser wirtschaftlichen Entwicklung warf sich die Frage auf, welche Maßnahmen ergriffen werden mussten, um die wirtschaftliche Lage des zahlenmäßig bedeutenden Handwerkerstandes zu verbessern. Nahezu alle gesellschaftlichen Gruppen griffen in die Diskussion ein, die sich letztlich auf die entscheidende wirtschaftspolitische Frage jener Zeit zuspitzte: "Zunftzwang oder Gewerbefreiheit"? Die städtische Obrigkeit erkannte weder die wahren Ursachen der Krise, noch machte sie brauchbare Vorschläge zur Überwindung der Depression. Sie hielt am ständischen Wirtschafts- und Gesellschaftssystem fest, ohne zur Kenntnis zu nehmen, dass es sich in der Auflösung befand und die Probleme mit veralteten Konzeptionen nicht zu lösen waren. Die Handwerker erkannten zwar die Ursachen für ihre wirtschaftliche Notlage, die meisten verschlossen sich aber den Zeichen der Zeit. Sie wollten. mit der Rückkehr zum alten Zunftsystem ihre Selbständigkeit bewahren. Diese Forderung - so verständlich sie kurzfristig gewesen sein mag - war wirklichkeitsfern. Das Rad des technischen Fortschritts war nicht mehr zurückzudrehen. Dies erkannte der Gewerbeverein. Er vertrat im Jahre 1848 die Auffassung, dass die Einführung der Gewerbefreiheit zwar kurzfristig nicht wünschenswert, jedoch langfristig nicht zu umgehen sei. Zudem zeigte er den einzig gangbaren Weg, das Haller Gewerbe aus der Krise zu führen: Die Industrialisierung der Stadt. Dass sie nicht in dem Maße einsetzte wie z.B. im mittleren Neckarraum, lag am Standortnachteil Halls. Dieser konnte auch nicht durch die vielfältigen und fortschrittlichen Maßnahmen des Gewerbevereins zur Verbesserung der allgemeinen Rahmenbedingungen kompensiert werden. Dazu gehörten die Schaffung eines leistungsfähigen Schul-, Banken-, Sparkassen-, Ausstellungs- und Genossenschaftswesens. Mit diesen Einrichtungen, der Öffnung der Märkte durch den längst notwendigen Anschluss an das württembergische Eisenbahnnetz und die Einführung der Gewerbefreiheit, war die alte Wirtschaftsstruktur unwiederbringlich überwunden und eine neue Ära der wirtschaftlichen Entwicklung - die Hochindustrialisierung - begann.
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